Donnerstag, 11. Mai 2006
Wie alles anfing
Vor zwei Monaten haben wir uns nach 9 Jahren wiedergesehen. Einfach so, mitten in Bremens Fußgängerzone.

Zuerst habe ich ihn gar nicht erkannt, er mich allerdings sofort.

Wir gingen Kaffee trinken- geschlagene vier Stunden saßen wir dort und es war, als wären die neun Jahre nie vergangen.
Wir waren in der Schule seit der 7. Klasse befreundet gewesen- mal mehr, mal weniger. In der Oberstufe waren wir für ein paar Monate ein Paar, kurz vor dem Abi trennten wir uns und verloren uns aus den Augen.

Bis zu jenem Tag.

Andreas sah verändert aus. Erwachsener. Aber dennoch so vertraut. Und sexy.

Eigentlich war ich nicht auf der Suche nach einer neuen Beziehung, doch dieser Tag veränderte alles. Bereits als wir uns zum Abschied umarmten, hatte ich das Gefühl wieder zu Hause zu sein. Irgendwie hatte sich die Nähe zwischen uns über die Jahre hinweg gerettet.

Wir telefonierten-noch am selben Abend. Und trafen uns am nächsten Abend. In seiner Wohnung.
Ich kann die Details dieses Abends nicht mehr chronologisch ordnen, aber ich erinnere mich, dass wir viel erzählt und viel gelacht haben. Und ich erinnere mich, dass wir uns geküsst haben und miteinander geschlafen haben. Es tat so gut, ihn in mir zu spüren, seinen Atem zu hören.

Ich bin eigentlich keine kitschige Träumerin, aber dennoch war es so: Seit diesem Abend wussten wir, dass wir uns nicht wieder verlieren wollten.

Die nächsten Wochen waren wie ein Rausch. Wir verbrachten jede freie Minute miteinander, genossen einander und schmiedeten wilde Zukunftspläne wie alberne Teenager.

Diese rosarote Wolkenwelt zerplatzte am 1. Mai 2006, als um 23.15 Uhr das Telefon klingelte. Es war Andreas Schwester, die mir erzählte, was passiert war.
Zwanzig Minuten später war ich im Krankenhaus.

Ein überholendes Auto hatte Andreas' Motorrad frontal erfasst- u.a. Oberschenkeltrümmerbruch, offener bruch der Kniescheibe, Sprunggelenksbruch, Milzentfernung, Leberriß und Hirnblutung. Notoperation.

Ich durfte ihn in dieser Nacht nicht mehr sehen.

Seitdem spielt sich eigentlich all meine freie Zeit im Krankenhaus ab. Andreas Zustand ist nicht mehr lebensgefährlich, aber er liegt dennoch auf der Intensivstation. Es ist schlimm, ihn jeden Tag so am Rande seiner Kräfte und unter Schmerzen zu sehen und zu wissen, dass man nichts dagegen tun kann.

Eigentlich ist unsere Beziehung zu jung, um sich so ernsthafte Gedanken über die Zukunft machen zu müssen- aber eigentlich ist unsere althergebrachte Bindung zu stark, um an einer Zukunft zu zweifeln.

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